Ostalb-Leuchttürme
Sicherheit: Landratsamt, Feuerwehr und Polizei haben am Samstag nach ausführlicher und technischer und organisatorischer Vorbereitung ein Notkonzept für den Fall eines flächendeckenden Ausfalls der Kommunikationsnetze getestet.
VON HEINO SCHOTTE
OSTALBKREIS. Landrat Joachim Bläse hat Mühe, all das an erlebten oder auch „nur“ denkbaren Krisenszenarien aufzuzählen, was ihm seit seinem Amtsantritt vor drei Jahren schon begegnet sei: Corona, drohende Energieknappheit, Cyberangriffe, die Ahrtal-Tragödie. Noch als Bürgermeister musste er 2016 die Gmünder Hochwasserkatastrophe bewältigen.
„Wir wollen und müssen auf alle, auch auf die bis vor Kurzem noch als unmöglich erschienenen, Krisensituationen vorbereitet sein“, gibt er zu verstehen. Daher auch die Einrichtung des Resilienzzentrums auf Landkreisebene, um die Bevölkerung zu sensibilisieren.
Thomas Wagenblast, Dezernent für Ordnung sowie für den Brand- und Katastrophenschutz, ergänzt: „Unsere überwiegend ehrenamtlich strukturierten Hilfsorganisationen leisten zusammen mit der Polizei für die Sicherheit unserer Bevölkerung eine unbezahlbar wertvolle Arbeit.“
All das waren Anmerkungen am Rande einer ganztägigen Stabsübung, die am Samstag im Landratsamt in Aalen unter Einbeziehung der Ostalb-Feuerwehren und der Polizei stattfand. Erstmals wurde das unter Federführung von Kreisbrandmeister Andreas Straub entwickelte „Leuchtturm-Konzept“ einem praxisnahen Stresstest unterzogen.
Durchgespielt wurde ein flächendeckender Ausfall der alltäglichen Kommunikationsnetze wie Festnetz-Telefone, Handy, Internet, Fax, mithin auch der Notruf-Nummern 110 für Polizei und 112 für Rettungsdienst/Feuerwehr. Erweiterbar wäre eine Stabsübung auch für den Komplettausfall der Energieversorgung. Doch die Verantwortlichen vor allem der Feuerwehren, Polizei, und Landkreisverwaltung wollten ihr Konzept zunächst in kleinerer Besetzung einem Härtetest unterziehen, um Erfahrungen zu sammeln.
Andreas Straub und Thomas Wagenblast hatten das „Leuchtturm-Konzept“ seit 2022 vorbereitet. Dazu wurde und wird beträchtlich in eine krisenfeste, gegen Cyberangriffe widerstandsfähige Technik investiert, konkret beispielsweise in digitale Funkausrüstung oder in netzwerkunabhängige Laptops, die jederzeit mit vollen Akkus und allen Updates den Mitgliedern des Krisenstabs zur Verfügung stehen müssen. Das Equipment wird mobil vorgehalten, kann also im Falle einer Evakuierung des Landratsamts kurzerhand an einen anderen Ort umziehen. Die Mitglieder des Krisenstabs rekrutieren sich aus erfahrenen, kommunikationstechnisch speziell ausgebildeten Frauen und Männern der Feuerwehren. Regelmäßige Fortbildungen und Übungen sind für die Ehrenamtlichen obligatorisch und werden zusätzlich zum normalen Feuerwehrdienst geleistet.
Die Übung ging am Morgen mit den Alarmmeldungen der ausgefallenen Telefon- und Handynetze los, nacheinander in vier großen Raumschaften, schließlich im kompletten Kreisgebiet. Wie können in einem solchen Fall in Not geratene Bürgerinnen und Bürger trotzdem Polizei oder Rettungsleitstelle erreichen? Bei einem solchen Blackout stehen die Türen von fast 100 Feuerwehrgerätehäusern in allen Städten, Gemeinden und Stadtteilen offen. Sie sind dann von alarmmäßig herbeigeeilten Feuerwehrangehörigen besetzt, die als Ansprechpartner für die Weiterleitung der Notrufe und dringlicher Anliegen zur systemrelevanten Infrastruktur über ein unabhängiges Funknetz bereitstehen. Bei der Übung am Samstag prasselten bis zum frühen Nachmittag von den „Leuchttürmen“ rund 300 Not- und Hilferufe auf die Mitwirkenden des Führungs-und Lagezentrums ein. Die Meldungen reichten vom Einbruch in ein Milchhäusle über medizinische Notfälle bis zum Großbrand. Dem Führungsstab oblag das Sortieren und Weiterleiten an die Rettungsleitstelle, auch das Organisieren von Warnungen und Informationen an die Bevölkerung, beispielsweise über Radio oder Lautsprecherdurchsagen. Immer wieder erfolgte am Samstag der Fingerzeig auf die Ahrtal-Katastrophe, bei der die Warnung und Information der Bevölkerung sowie die Blaulicht-Kommunikation in den ersten Stunden nur mangelhaft bis gar nicht funktionierte – mit tragischen Folgen.
Und was passiert, wenn auch die Rettungsleitstelle und die Polizeizentrale von einem Totalausfall betroffen wären? Kreisbrandmeister Andreas Straub nennt dies aufgrund der autarken und gut abgesicherten Technik dort einen äußerst unwahrscheinlichen Fall. Dennoch ist auch hierfür eine Zusatz-Absicherung „eingebaut“:
Wenn die Rettungsleitstelle Ostalb tatsächlich ausfallen würde, übernimmt deren Aufgabe vorübergehend der Nachbar im Rems-Murr-Kreis.
Wie ist eigentlich der Begriff „Leuchtturm-Konzept“ zustande gekommen, der sich bei Feuerwehren überall in Deutschland durchsetzt? Kreisbrandmeister Andreas Straub: „Ganz einfach erklärt: Bei uns gehen die Lichter nie aus. Die Bevölkerung kann sich immer auf uns verlassen.“
Floriansjünger in Zahlen
Feuerwehren: 3500 Frauen und Männer sind im Ostalbkreis aktive Mitglieder, zum ganz überwiegenden Teil ehrenamtlich. Beinahe 1000 Jungen und Mädchen zählen die Jugend- und neuerdings Kinderfeuerwehrgruppen. Etwa 500 Männer gehören den Alters- und Ehrenabteilungen an. Immer mehr aktive Senioren nehmen am Landesfeuerwehr-Programm „65 plus“ teil und Leisten bestimmte aktive Dienste über die bisherige Altersgrenze hinaus.
(hs)